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LC: Christian Spring, Sie haben sich einen Namen als
Musiker und Klavierpädagoge geschaffen, konzertieren
regelmässig und haben soeben ihre neuste CD
veröffentlicht. Wie sahen die Anfänge Ihres Weges aus?
CS: Das Instrument Klavier faszinierte mich bereits als
Dreijähriger. Mit fünf Jahren erhielt ich den ersten
Unterricht und spielte mit viel Begeisterung.
Nach der Matura wollte ich eigentlich Tonmeister werden und
besuchte als Vorbereitung das Konservatorium Winterthur.
Dort erkannte ich, dass eine Laufbahn als Pianist für mich
der richtige Weg ist.
Das Musizieren stand für mich dabei im Vordergrund. Viel
wichtiger als Ruhm, Wettbewerbe und Auszeichnungen waren für
mich immer das Verstehen der Werke, die ich spielte, die
Zwiesprache mit dem Komponisten und die Interpretation
seiner Musik.
Nach dem Lehrdiplom besuchte ich am Conservatoire de Genève
die classe de virtuosité, die ich mit dem Konzertdiplom
abschloss. Während jenen Ausbildungsjahren wurde mir klar,
dass viele Lehrmethoden für mich in einer Sackgasse endeten.
Ich verkrampfte mich und war unfähig zu musizieren. Ich
dachte viel darüber nach und suchte einen eigenen Weg, den
ich von nun an konsequent verfolgte.
LC: Können Sie uns das genauer erklären? Wie sieht dieser
Weg aus?
CS: Im Vordergrund stehen für mich
das Erleben und das Verstehen der Musik. Dazu braucht es ein
aufmerksames, offenes Ohr und einen freien Geist, der sich
auf alles Neue unvoreingenommen einlässt. Jeder Zwang, jede
Verkrampfung und jeder Druck verhindert dieses Musizieren.
Es geht darum, mit minimalem Aufwand an Kraft und möglichst
locker umzusetzen, was im Kopf vorgeht und dabei alle
Konventionen zu vergessen.
LC: Diese Überzeugung widerspricht der weit verbreiteten
Lehrmeinung, die grosses Gewicht auf Technik legt und die
Studenten einem ungeheuren Druck aussetzt.
CS: Das ist klar. Deshalb war es mir ja auch wichtig, meinen
eigenen Weg zu gehen. Der Druck, dem ich selbst während
meiner Ausbildung ausgesetzt war, war für mein Musizieren
schädlich. Diese Erfahrung habe ich auch bei vielen meiner
Schüler gemacht. Falls sie bereit sind, sich ohne Vorurteile
auf meine Methode einzulassen, stossen sie in ganz neue
Sphären vor und erleben die Musik intensiver.
LC: Aber stures Üben gibt es bei Ihnen doch sicher auch,
bis ein Stück sitzt?
CS: Nein. Ich versuche jede Sturheit und jeden
Leistungsdruck zu vermeiden. Ich spiele ein Stück – im
wahrsten Sinne des Wortes. Ich ergründe seine Harmonien,
spiele mit den Klängen und taste mich so mit viel Geduld an
ein Stück heran. Ich trainiere nicht, sondern ich musiziere.
LC: Was heisst das für die Interpretation eines Stücks?
CS: Auch hier lasse ich die ausgetretenen Pfade hinter mir.
Ich versuche, mir meine eigene Meinung über ein Stück zu
bilden, auch zwischen den Noten zu lesen und dies dem
Publikum und meinen Schülern zu vermitteln.
LC: Also Musizieren um des Musizierens willen?
CS: Genau. Spannend ist für mich zu verstehen, was der
Komponist mit dem Stück aussagen wollte und die Emotionen,
die darin stecken, zu erkennen. In meiner Interpretation
kombiniere ich sie mit meinen Gedanken und Gefühlen und gebe
sie so dem Zuhörer weiter.
LC: Nach «Berceuses – Wiegenlieder – Lullabies» und
«Frühlingsmusik – Musique de Printemps – Spring Music» ist
die neue CD «Birds – Oiseaux
– Vögel» bereits die dritte Einspielung, die sich
ganz einem Thema widmet. Welche Überlegungen stehen
dahinter?
CS: Ich finde es faszinierend, wie unterschiedliche
Komponisten mit einem Thema umgehen. Auf meiner neuen CD
gibt’s vom Küken bis zum Schwan unzählige Vogelarten zu
entdecken. Viele dieser Stücke sind Raritäten, die kaum je
gespielt werden, aber alle einen grossen musikalischen Wert
besitzen. Die Vielfalt, die hier dargestellt wird, ist
unglaublich. Sie widerspiegelt die Welt der Vögel, die ja
auch unendlich viele Facetten besitzt.
Mit Christian Spring sprach Luzia
Campell-Fromm.
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